Donnerstag, 30.03.2023, 20 Uhr

Moritz Kirsch liest Sarah Kirsch
 
Moritz Kirsch spricht über Leben und Werk seiner Mutter, auch über das geneinsame Leben mit ihr. Von 1983 bis zu ihrem Tod 2013 lebte Sarah Kirsch zurückgezogen in Tielenhemme im Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein.

Er legt an dem Abend den Schwerpunkt auf die Bücher seiner Mutter, die er herausgegeben hat:

Sarah Kirsch: Freie Verse. 99 Gedichte - Mit 19 bislang unveröffentlichten Gedichten. Herausgegeben von Moritz Kirsch. Manesse 2020. 128 S. Geb. 20,00 €

Der von Moritz Kirsch herausgegebene Auswahlband 'Freie Verse' enthält neunundneunzig Gedichte, in denen die Idylle fern ist, aber das Zeitgeschichtliche nah und in jeder noch so harmlos scheinenden Gedichtzeile präsent. Die poetische Beschwörung Sarah Kirschs gilt in diesem Band nicht nur der Natur, sondern auch der menschlichen Umwelt, dem gesellschaftlichen System, das uns prägt und - ob wir es wollen oder nicht - bis in den hintersten Weltwinkel verfolgt. Von besonderem Wert sind in diesem Zusammenhang neunzehn erst kürzlich auf dem Dachboden wiederentdeckte Gedichte. Ausschlaggebend, dass Sarah Kirsch sie seinerzeit zurückhielt, waren offensichtlich politische und nicht literarische Gründe. Im Lichte des unveröffentlichten lassen sich auch dem bereits veröffentlichten Werk nun noch einmal ganz neue Facetten abgewinnen. Weit entfernt vom aufrührerischen, agitatorischen Ton eines Wolf Biermann oder vom zupackenden Gestus eines Volker Braun findet die Dichterin eine ganz eigene Form- und Bildsprache in der Auseinandersetzung mit ihrer Gegenwart, mit dem jeweiligen System und den Herrschenden.

„Das Buch ist eine kleine Sensation, und das ist keine Übertreibung.“ Mitteldeutsche Zeitung vom 7. März 2020

Und dazu das kürzlich erschienene Tagebuch der Wendezeit:

Sarah Kirsch: Ich will nicht mehr höflich sein. Tagebuch aus der Wendezeit. 31.08.1989 bis 18.03.1990. Herausgegeben von Moritz Kirsch. Edition Eichtal 2022. 264 S. mit 10 Illustrationen. Geb. 28,00 €

und

poetologische Ausführungen von Sarah Kirsch:

Sarah Kirsch. Von Haupt- und Nebendrachen Von Dichtern und Prosaschreibern. Frankfurter Poetikvorlesungen 1996 | 1997. Herausgegeben von Moritz Kirsch. Wallstein 2019. 112 S. Kart. 18,00 €

In Sarah Kirschs Poetikvorlesungen wird das Nachdenken über Poesie selbst zu Poesie.

Sarah Kirsch zählt zu den bedeutendsten deutschen Lyrikerinnen der Generation, die um 1960 zu schreiben begann. Früh wurde ihre Stimme als einzigartig gerühmt, weil sie in ihren Gedichten und Prosatexten den Alltagsdingen und Naturbeobachtungen eine Poesie abgewinnt, die das Wunderbare, Schöne, Ewige sichtbar macht und verzaubert. Sarah Kirsch gewann, spätestens seit ihrer Übersiedlung aus der DDR in die Bundesrepublik, höchste Wertschätzung nicht nur bei den Kritikern, sondern auch bei den Lesern. Ihre Gedichtbände erreichten Auflagenzahlen, wie sie in diesem Genre nicht eben üblich sind. 1996, im Jahr als sie auch den Büchner-Preis bekam, hielt sie an der Universität Frankfurt a. M. die Poetikvorlesungen, in denen sie Fragen des Schreibens umkreiste und nach den Möglichkeiten poetischer Wirklichkeitserkundung fragte, das Existenzielle jenseits von Ideologie und Politik in den Blick nahm.

Trockenes Theoretisieren ist in diesen Vorlesungen ganz und gar nicht ihre Sache, vielmehr stellt sie auch eigene Texte ins Zentrum ihrer Überlegungen, die sie spielerisch umkreist - so ist das Nachdenken über Poesie selbst Poesie.

und

eine Übersetzungsarbeit, die Mutter und Sohn gemeinsam gemacht haben:

Jamaica Kincaid: Am Grunde des Flusses. Übersetzt von Sarah Kirsch und Moritz Kirsch. Kampa 2021. 140 S. Geb. 18,00 €

Moritz Kirsch sagte, er freue sich sehr, dass auch dieser Band im Sortiment sei, denn er habe – erst 17 Jahre alt - die Erzählungen zusammen mit seiner Mutter übersetzt und dabei viel gelernt. Auch über diese gemeinsame Arbeit wird er an dem Abend sprechen.

Sarah Kirsch (1935-2013), geboren in Limlingerode am Harz, studierte Biologie und Literatur und lebte bis zu ihrer Ausbürgerung 1977 im Osten Berlins, siedelte dann in den Westen der Stadt über. 1981 zog sie in den Norden Deutschlands, wo sie bis zu ihrem Tod als freie Schriftstellerin und Malerin in Tielenhemme, Schleswig-Holstein, lebte.

Für ihr dichterisches Werk wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Georg-Büchner-Preis, dem Jean-Paul-Preis sowie dem Johann-Heinrich-Voß-Preis.


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