Donnerstag, 24.11.2022, 20 Uhr
Prof. Dr. Stefan Höppner: Goethes Bibliothek. Eine Sammlung und ihre Geschichte
Stefan Höppner: Goethes Bibliothek. Eine Sammlung und ihre Geschichte. Klostermann 2022. 503 S. Geb. 39,00 €
Stefan Höppners Buch widmet sich Goethes wichtigstem Arbeitswerkzeug – seiner Bibliothek. Sie ist nicht nur eine der prominentesten Büchersammlungen eines deutschsprachigen Autors, sondern auch als eine von wenigen Autorenbibliotheken um 1800 fast vollständig erhalten. Überdies ist ihre Entwicklung seit Goethes Tod außergewöhnlich gut dokumentiert. Auf der Basis teils unveröffentlichter Archivalien, der digitalen Neukatalogisierung der Bücher und Goethes Schreibspuren in den Bänden liefert dieses Buch ganz neue Einblicke in die Arbeitsweise und die Netzwerke des Dichters. Die Geschichte seiner Bibliothek handelt aber auch vom späteren Umgang mit der Weimarer Klassik, sowohl in der Forschung als auch in den politischen und kulturellen Institutionen vom Kaiserreich bis zur Gegenwart.
Stefan Höppner, geb. 1969, ist wissenschaftlicher Projektleiter der Fallstudie „Goethe Digital. Eine Autorenbibliothek als Sammlungsraum“ beim Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel. Sein Projekt ist an der Herzogin Anna Amalia Bibliothek bei der Klassik Stiftung Weimar angesiedelt. Als Forscher arbeitet Stefan Höppner zur Weimarer Klassik und zur Romantik, zur Provenienzforschung, zur Buch- und Mediengeschichte sowie zu Literatur, Comics und Popkultur seit 1945. Er lehrt als außerplanmäßiger Professor Neuere Deutsche Literatur an der Universität Freiburg.
Veröffentlichungen (Auswahl)
Stefan Höppner: Natur / Poesie. Romantische Grenzgänger zwischen Literatur und Naturwissenschaft. Johann Wilhelm Ritter, Gotthilf Heinrich Schubert, Henrik Steffens, Lorenz Oken. Königshausen u. Neumann 2016. 920 S. Kart. 78,00 €
Stefan Höppner, Caroline Jessen, Jörn Münkner: Autorschaft und Bibliothek. Sammlungsstrategien und Schreibverfahren. Wallstein 2018. 320 S. Geb. 34,90 €
Autorenbibliotheken bieten einen bisher kaum genutzten Zugang zu Schriftstellerinnen und Schriftstellern und ihren Werken. Die Fallstudien des Bandes beleuchten das Verhältnis von Autorschaft und Bibliothek systematisch.
Obwohl Autorenbibliotheken seit einigen Jahren in den Fokus der Literaturwissenschaft gerückt sind, steht eine systematische Befragung ihres Status bei der Beschäftigung mit literarischen, literaturkritischen und gelehrten Texten aus. Dabei erweisen sich in der Konfiguration der Bibliothek Bücher als Wissensarsenale und Wissensordnungen wie auch als Traditionskonstruktionen und Umschreibungen; in Widmungsexemplaren und Büchergeschenken manifestieren sich soziale Netze und literarische Allianzen; Spuren des Gebrauchs von Drucken werden im philologischen Zugriff zu Zeugnissen von Arbeits-, Produktions- und Revisionsprozessen. Folglich provozieren Bücher und Bibliotheken als angeeignete Objekte den Rückbezug auf das Subjekt der Sammlung, den Autor und die Autorin. Die Beiträge widmen sich dem Umgang und der Arbeit von Autorinnen und Autoren mit ihren Büchern von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Sie rekonstruieren entsprechende Einsätze und Produkte, fragen aber auch nach unterschiedlichen Typen sogenannter »Sondersammlungen« sowie nach zeitlichen und medialen Umbrüchen, die für den literaturwissenschaftlichen, wissenschafts- und ideengeschichtlichen Status der Autorenbibliothek entscheidend sind.
Stefan Höppner: Klassische Moderne; Zwischen Utopia und Neuer Welt - Die USA als Imaginationsraum in Arno Schmidts Erzählwerk. Ergon 2005. 408 S. Kart. 52,00 €
Nur wenige Schauplätze haben in der deutschsprachigen Literatur so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie Nordamerika: Spätestens seit Johann Gottfried Seumes Gedicht Der Wilde, seit Goethes Wilhelm Meister-Romanen nutzen Autoren diesen Ort als Projektionsfläche für ihre positiven oder negativen Gegenentwürfe zur eigenen Gesellschaft. Zu dieser Tradition, die sich bis in die Literatur der Jahrtausendwende fortsetzt, gehört auch Arno Schmidt. Denn auch Schmidt schreibt drei Romane, die teilweise oder ganz in den USA oder amerikanisch beherrschten Territorien spielen: Die Gelehrtenrepublik (1957), KAFF auch Mare Crisium (1960) und Die Schule der Atheisten (1972). Anders als bei den meisten prominenten Zeitgenossen des Autors - etwa Max Frisch, Uwe Johnson und Peter Handke - beruhen Schmidts Amerika-Beschreibungen aber nicht auf empirischen Erfahrungen des Autors und verweigern sich fast vollständig einer mimetischen Darstellung der amerikanischen Realität: Darin sind sie eher den großen Amerika-Texten der Klassischen Moderne, etwa denen Kafkas und Brechts, verwandt. Schmidts Amerika-Visionen spielen stets nach einem Dritten Weltkrieg, sind auf utopischen Inseln oder desolaten Mondbasen angesiedelt. Seine USA werden vom Militär oder einem matriarchalischen Regime beherrscht und sind von Zentauren und Amazonen bevölkert. Diese dezidierte Realitätsferne erstaunt auf den ersten Blick umso mehr, als Schmidt sich durchaus mit amerikanischer Literatur auseinandersetzt und unter anderem Übersetzungen von William Faulkner, James Fenimore Cooper und Edgar Allan Poe liefert. Dieser eklatante Widerspruch hat in der Forschung bisher kaum Aufmerksamkeit gefunden.
Nur wenige Schauplätze haben in der deutschsprachigen Literatur so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie Nordamerika: Spätestens seit Johann Gottfried Seumes Gedicht Der Wilde, seit Goethes Wilhelm Meister-Romanen nutzen Autoren diesen Ort als Projektionsfläche für ihre positiven oder negativen Gegenentwürfe zur eigenen Gesellschaft. Zu dieser Tradition, die sich bis in die Literatur der Jahrtausendwende fortsetzt, gehört auch Arno Schmidt. Denn auch Schmidt schreibt drei Romane, die teilweise oder ganz in den USA oder amerikanisch beherrschten Territorien spielen: Die Gelehrtenrepublik (1957), KAFF auch Mare Crisium (1960) und Die Schule der Atheisten (1972). Anders als bei den meisten prominenten Zeitgenossen des Autors - etwa Max Frisch, Uwe Johnson und Peter Handke - beruhen Schmidts Amerika-Beschreibungen aber nicht auf empirischen Erfahrungen des Autors und verweigern sich fast vollständig einer mimetischen Darstellung der amerikanischen Realität: Darin sind sie eher den großen Amerika-Texten der Klassischen Moderne, etwa denen Kafkas und Brechts, verwandt. Schmidts Amerika-Visionen spielen stets nach einem Dritten Weltkrieg, sind auf utopischen Inseln oder desolaten Mondbasen angesiedelt. Seine USA werden vom Militär oder einem matriarchalischen Regime beherrscht und sind von Zentauren und Amazonen bevölkert. Diese dezidierte Realitätsferne erstaunt auf den ersten Blick umso mehr, als Schmidt sich durchaus mit amerikanischer Literatur auseinandersetzt und unter anderem Übersetzungen von William Faulkner, James Fenimore Cooper und Edgar Allan Poe liefert. Dieser eklatante Widerspruch hat in der Forschung bisher kaum Aufmerksamkeit gefunden.