Montag, 29.02.2015, 20 Uhr

"Ich blieb verschont." Jenny Aloni - eine deutsch-jüdische Schriftstellerin aus Israel, vorgestellt von Prof. Dr. Hartmut Steinecke 


Jenny Aloni (1917-1993) wuchs in Paderborn und Berlin auf. Die Zionistin ging 1939 als Leiterin eines Kindertransports nach Palästina; „Erez Israel“ blieb ihre Heimat. In den sechziger Jahren wurde Jenny Aloni in Deutschland durch Romane und Erzählungen bekannt, sie galt als wichtigste Stimme der jüngeren Generation deutschschreibender Schriftsteller aus Israel. Danach geriet ihr Werk zeitweise in Vergessenheit.

„Ich blieb verschont“ – Das Schuldtrauma prägt große Teile von Alonis Werk. Sie stellte sich zwei zentrale Themen: über Erlebtes und Erfahrenes in der Zeit des Nationalsozialismus und dessen Nachwirkungen in der Bundesrepublik zu schreiben; und das Leben des entstehenden und sich entwickelnden Judenstaates mit kritischer Sympathie zu schildern. Neben dem mittlerweile in einer Gesamtausgabe vorliegenden literarischen Werk ist das Tagebuch Jenny Alonis von besonderem Interesse: Es umspannt fast 60 Jahre ihres Lebens „als Jude, als Frau, als Mensch“ in zwei Ländern und Kulturen

Hartmut Steinecke (Hrsg.): Jenny Aloni: Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Bd. 1–10. Paderborn 1990–1997.



Lieferbare Bücher von Jennyi, die sich im Sortiment der Buchhandlung befinden:

(Jenny Aloni): Lesebuch Jenny Aloni. Hrsg. von Hartmut Steinecke Aisthesis 2012.  179 S. mit 6 Abb. Kart. 8,50 €      

„Um zu erleben, was Geschichte ist, muss man Jude sein. Ich bin Jüdin und stamme aus dem Paderborner Land.“
Jenny Aloni war eine genaue Beobachterin und kritische Chronistin ihrer Zeit: in den Jahren des Nationalsozialismus in Paderborn und Berlin ebenso in Israel und bei Reisen in die Bundesrepublik Deutschland.
Das Lesebuch veranschaulicht dieses Erleben und Erleiden von Geschichte anhand von Tagebuchnotizen, Zitaten aus Briefen sowie von Gedichten, Erzählungen und Romanauszügen. Die Texte zeigen zugleich ihre Entwicklung als Schriftstellerin, zur wichtigsten Stimme der deutschsprachigen Literatur in Israel.

Jenny  Aloni: Der Wartesaal. Ein Roman. Hrsg. von Hartmut Steinecke. Aisthesis  2015.   158 S. 12,80 €

Der Roman stellt einen der ersten Versuche dar, über das in Deutschland wie in Israel bis dahin weithin verdrängte Thema der seelischen Verwüstungen zu schreiben, die das Leben zahlreicher Exilanten und Überlebender der Shoa prägten.

Jenny Aloni: „Ich muss mir diese Zeit von der Seele schreiben…“ Die Tagebücher 1935-1993: Deutschland – Palästina – Israel. Hrsg. von Hartmut Steinecke. Schöningh 2006.

Jenny Aloni und Heinrich Böll: Briefwechsel. Ein deutsch-israelischer Dialog. Hrsg. von Hartmut Steinecke. 252 S.  Aisthesis 2012. 252 S. Kart. 19,80 €

1959 trafen sich Jenny Aloni und Heinrich Böll zum ersten Mal. Es war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft, die sich in einer Reihe von Begegnungen in Deutschland und in Israel  und vor allem in einem intensiven Briefwechsel entwickelte und vertiefte. Erhalten sind 109 Schreiben 1960-1985, von denen über 100 hier erstmals veröffentlicht werden.

Diese Korrespondenz einer jüdischen Israeli und eines Deutschen ist auch ein Gedankenaustausch zwischen zwei Schriftstellern über ihre Arbeit und über politische und gesellschaftliche Entwicklungen in beiden Ländern, die sie kritisch und skeptisch beobachteten. Der Briefwechsel, der durch einen Kommentar und ein Nachwort von Hartmut Steinecke erschlossen wird, entfaltet einen lebendigen und perspektivenreichen deutsch-israelischen Dialog, der immer auch den deutsch-jüdischen Dialog einschließt.



Hartmut Steinecke studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in Saarbrücken und Bonn. Nach der Promotion über Hermann Broch und der Habilitation über Romantheorie und Romankritik in Deutschland wurde er 1974 Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Paderborn. Dort lehrte er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2005. 1992 gründete er das Jenny Aloni-Archiv. Im Jahr 2002 wurde Hartmut Steinecke in die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Zwischen 1966 und 2008 war er wiederholt Visiting Professor an verschiedenen nordamerikanischen Hochschulen.

Publikationen von Hartmut Steinecke (Auswahl):

Hartmut Steinecke: Hermann Broch und der polyhistorische Roman. Studien zur Theorie und Technik eines Romantyps der Moderne. Bonn 1968

Hartmut Steinecke: Romantheorie und Romankritik in Deutschland. Die Entwicklung des Gattungsverständnisses von der Scott-Rezeption bis zum programmatischen Realismus. 2 Bde. Stuttgart 1975–1976.

Hartmut Steinecke: Romanpoetik von Goethe bis Thomas Mann. Entwicklungen und Probleme der „demokratischen Kunstform“ in Deutschland. München 1987.

Hartmut Steinecke: Unterhaltsamkeit und Artistik. Neue Schreibarten in der deutschen Literatur von Hoffmann bis Heine. Bielefeld 1998.

Hartmut Steinecke: Von Lenau bis Broch. Studien zur österreichischen Literatur - von außen betrachtet. Tübingen / Basel 2002.

Hartmut Steinecke: Die Kunst der Fantasie. E.T.A. Hoffmanns Leben und Werk. Frankfurt am Main / Leipzig 2004.

Hartmut Steinecke: Literatur als Gedächtnis der Shoah. Deutschsprachige jüdische Schriftstellerinnen und Schriftsteller der „zweiten Generation“. Paderborn 2005.

Hartmut Steinecke: „Das Gepräge des Außerordentlichen" .Heinrich Heine liest E.T.A. Hoffmann. Erich Schmidt 2015. 116 S. Geb. 39,80