Samstag, 16.01.2016, 17 Uhr

Ausstellungseröffnung in den Galerieräumen der Buchhandlung: "Spurensuche" - jüdisches Kulturerbe in Osteuropa. Photographien von Christian Herrmann


Christian Herrmann wird zur Ausstellungseröffnung anwesend sein.

Vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer zieht sich ein Gürtel durch Ost- und Mitteleuropa, in dem bis zur Vernichtung durch Nazi-Deutschland und seine örtlichen Helfer so viele Juden lebten, wie sonst nirgendwo auf der Welt. Galizien, die Bukowina, Wolhynien und Podolien – die Regionen aus denen die Bilder der Ausstellung stammen, sind Teil dieses Gürtels. Heute gehören diese alten Kulturlandschaften zur Ukraine, zu Polen und zu Rumänien.
Städte und Dörfer waren und sind multiethnische Gemeinschaften. Ukrainer, Polen, Rumänen, Juden, Armenier, Deutsche, Ungarn, Tschechen, Roma und andere Völker haben dort gelebt und leben dort weiterhin – wenn auch in anderer proportionaler Zusammensetzung als vor dem 2. Weltkrieg. Juden haben die Region in besonderer Weise geprägt. Durch die Wälder der Karpaten wanderte der Baal Schem Tov, der Begründer des Chassidismus – einer mysthischen Bewegung innerhalb des Judentums. Der in Brody geborene Joseph Roth schrieb seine ersten Texte in den Caféhäusern von Lemberg – statt sich seinem Studium zu widmen. Wilhelm Reich und Manes Sperber – beide in galizischen Schteteln zur Welt gekommen – begründeten ihre eigenen Schulen der Psychoanalyse. Paul Celan, Rose Ausländer und Selma Meerbaum-Eisinger schrieben Gedichte, die noch heute Maßstäbe für deutschsprachige Dichtung setzen. Besonders Galizien und die Bukowina sind Literaturlandschaften. Der Czernowitzer Karl Emil Franzos gab die erste Werkausgabe Georg Büchners heraus, Bruno Schulz– der galizische Kafka – revolutionierte die polnische Literatur, Leopold von Sacher-Masoch und Gregor von Rezzori hinterließen Erinnerungen und Romane mit Einblicken in eine versunkene Welt. Itzig Manger, einer der größten jiddischen Dichter im 20. Jahrhundert, wurde in Czernowitz geboren. Iwan Franko und Olha Kobylanska gaben den Ukrainern eine literarische Stimme. Der Literaturnobelpreisträger von 1966, Samuel Joseph Agnon, stammte aus Butschatsch in Galizien – nur ein paar Kilometer entfernt liegt Iwano-Frankiwsk, der Geburtsort von Swetlana Alexijewitsch, der Litraturnobelpreisträgerin 2015. Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Leicht lassen sich Gründe finden, warum man Christian Herrmanns Bilder in einer Buchhandlung zeigen soll.

Die Bilder dieser Ausstellung entstanden zwischen August 2012 und Juli 2015. Sie wurden mit einer analogen Kamera und klassischem Schwarzweißfilm aufgenommen.

Christian Herrmann
, Jahrgang 1962, studierte Objekt-Design an der Hochschule Niederrhein bei Günther Dohr und Rolf Sachsse. Er lebt in Köln und arbeitet für eine NPO in Bonn. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs bereist er Osteuropa. Das jüdische Erbe der Region geriet anlässlich eines Aufenthalts in Krakau erstmals in den Fokus seiner Aufmerksamkeit. Seither hat es ihn nicht mehr losgelassen. Seit Februar 2013 dokumentiert er seine Reiseerlebnisse in seinem Blog „Vanished World“ (http://vanishedworld.wordpress.com) und bestreitet mit seinen analogen Schwarzweißbildern Fotoausstellungen. Auswahl seiner Bilder wurde im Januar 2015 unter dem Titel "Spurensuche" vom Kölner reserv-art Verlag veröffentlicht.