Montag, 28.11.2016, 20 Uhr

Waldwand - Michael Donhauser stellt sein neues Buch vor. (Ertsverkaufstag: 28.11.2016)


Michael Donhauser: Waldwand. Eine Paraphrase. Berlin, Matthes & Seitz 2016. 280 S. Geb. 25,00 €

Witiko ist ein 1 000 Seiten umfassender historischer Roman, der die Gründungsgeschichte des Königreiches Böhmen im 12. Jahrhundert erzählt. Adalbert Stifter schrieb zehn Jahre an diesem Großwerk, in dessen Zentrum Witiko steht, der sein Tun der Frage nach dem Guten wie nach dem Rechten unterwirft. Witiko erweist sich durch alle Wirrungen missglückter Erbfolge und daraus resultierender Kriege hindurch als moralisch standhaft, auch dann, wenn sein Tun nicht ausschließlich den gegebenen Normen entspricht. Indem Michael Donhauser erklärend, zitierend und berichtend Stifters Dichtungsversuch abschreitet, entsteht ein einzigartiger Text von unbekannter Gattung: Poesie, Epik und Philologie verschmelzen zu einem Leseerlebnis, wodurch einer der großen Texte der deutschsprachigen Literatur neu entdecken werden könnte.


Michael Donhauser über sein Buch "Waldwand":

 Kunst ist: Suggestion mit Hilfe der Form. (Georg Lukács)

Beim Schreiben zu Stifters Dichtungsversuch Witiko hat sich eine Beobachtung wiederholt, die nachträglich als ein Anliegen meines Schreibens gedeutet werden könnte.  Denn immer  wieder habe ich in diesem breit angelegten Werk Abschnitte gelesen, in denen Stifter sprachlich etwas zustößt, was ein gestalterischer Wille allein nicht hervorbringen kann. Und diese Abschnitte oder Stellen zeugen davon, was Sprache vermag, wenn sich ihr jemand jenseits des bloßen Kalküls hingibt, reinen Herzens, wie in Bezug auf den Glauben gesagt wird. Mit dieser Betrachtungsweise rede ich aber nicht einer Elimination des Autors das Wort, sondern binde jene Verselbständigung der Sprache gerade wieder zurück an ein Schreiben, dessen Autor der Sprache zutiefst verfallen ist. Was aber jener Hingabe entwächst, ist Ausdruck nur insofern, als es Form ist, und Form nur als Ausdruck eines verinnerlichten Maßes.

Das zu zeigen in seiner Sprachwerdung, ist das eine, und das andere Anliegen ist oder war ein Verrichten in Demut, wie es einmal in dem Dichtungsversuch heißt. Dieses Verrichten aber bestand darin, dass ich das umfangreiche Werk nacherzählt habe, und zwar so, dass die Nacherzählung in sich eine Art Stimmigkeit erlangt, und dies nicht um ihrer selbst willen, sondern um Stifters Witiko in einer Weise zu entsprechen, wie es sonst vielleicht nur eine Abschrift oder Übersetzung zu leisten versucht.

Beides zusammen, die Empfänglichkeit für einzelne Stellen wie deren Einbettung in ein nacherzähltes Ganzes, bilden das, was ich im Untertitel Eine Paraphrase nenne, womit auch gesagt werden soll, dass ich ein Ausdeuten zugunsten einer Umschreibung vermieden habe, die den eigenen Anspruch dem Dichtungsversuch Stifters gegenüber mäßigt.


Michael Donhauser, geb. 1956 als österreichischer Staatsbürger in Vaduz (F. Liechtenstein), Studium der Germanistik und Romanistik in Wien Seit 1986 Veröffentlichungen, vor allem von Gedichten, dann von Erzählungen und einem Roman Nach 1996 zudem essayistische Arbeiten zu Landschaften und Gärten sowie zur Poetik in Werken der Literatur und Kunst, außerdem Übersetzungen aus dem Französischen (Arthur Rimbaud, Francis Ponge)