Donnerstag, 13.03.2014, 20 Uhr

„Sieht so aus als hätte ich das Fliegen verlernt" - Liebesgedichte von Helga M. Novak und Silke Scheuermann, vorgestellt und gelesen von Silke Scheuermann


Helga M. Novak
wurde 1935 in Berlin-Köpenick geboren. Für ihr Werk erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen. Sie ist eine der bedeutensten Lyrikerinnern unserer Zeit. Helga M. Novak starb am 24. Dezember 2013.

Silke Scheuermann,1973 in Karlsruhe geboren, veröffentlichte mehrere Bände mit Gedichten, Romanen und Erzählungen und erhielt zahlreiche Stipendien und Literaturpreise, darunter den Leonce-und-Lena-Preis der Stadt Darmstadt und das Villa-Massimo-Stipendium. Von Helga M. Novak hat Silke Scheuermann einen Band mit Liebesgedichten herausgegeben.


Eintritt: 10 €

Am 24. Dezember 2013 starb Helga M. Novak. In fast allen großen Tageszeitungen gab es Nachrufe. Besonders auf den Nachruf von Meike Fessmann in der Süddeutschen und den Nachruf von Gert Loschütz in der FAZ vom 27. Dezember 2013 sei hingewiesen. Meike Fessmann schreibt, Helga M. Novak habe bei der Suche nach Notausgängen ein bleibendes Werk geschaffen. Gert Loschütz erzählt von seinen frühen Begegnungen mit Helga M. Novak und bezeichnet sie als die große Dichterin der Mark, als Einzige, die Peter Huchel das Wasser reichen könne. Der Artikel steht im Netz.

„Das poetische Werk von Helga M. Novak ist ein herausragender Monolith. Es ist unbeugsam. Es ist erschütternd. Es ist ohne Vergleich. Es ist von großer Strenge. Es strahlt von schöner Sprache. Es ist so ernst, so kindlich und präzise, es hat den permanenten, den umfassenden Tod vor Augen. Es gibt für diese Gedichte keinen Ersatz. Sie sind realistisch, autobiographisch, politisch, mythisch. Sie sind rau wie die Landschaften, die sie einfassen, lakonisch wie ein im Amtsblatt mitgeteilter Konkurs, sie machen kein Aufhebens von sich, sind gegen den Strich gesetzt, spröde und zärtlich. Die Gedichte von Helga M. Novak halten sich zuweilen gerade noch so im Wort, sind gewaltig, bewahren vor Schlimmerem.“ Michael Lentz im Nachwort zu seiner Auswahlausgabe

Silke Scheuermann schreibt im Nachwort zu ihrer Auswahl aus den 'Liebesgedichten' Helga M. Novaks:
"Mit 'Artemisleben' hat sie sich ihren eigenen Mythos geschrieben, der ist atavistisch und zugleich radikal modern, ist singulär, abnorm, er trägt etwas entschieden Verrücktes in sich, ist kindlich und erwachsen zugleich. Gleichzeitig schließt sich ein biografischer Kreis: Von der gezwungenermaßen gelebten Einsamkeit des Kindes ist sie in eine andere, selbst gewählte übergegangen."

Die Bücher von Helga M. Novak sind fester Bestandteil des Sortiments:

Helga M. Novak: Im Schwanenhals. Schöffling 2013. 352 S. Geb.21.95 €    

„An meinem sechzehnten Geburtstag zog ich dann ins Internat“, heißt es am Schluss von Helga M. Novaks Buch „Die Eisheiligen“ (1979). Zurück bleiben die Adoptiveltern Kaltesophie und Karl. Das junge Mädchen sucht und findet im zweiten Band ihrer autobiographischen Prosa „Vogel federlos“ (1982) in der neuen sozialistischen Gesellschaft der DDR ihre Ersatzfamilie. Doch auch diese Familie hält nicht, was sie verspricht.

Enthusiastisch beginnt Helga M. Novak 1954 ein Journalismus-Studium, fühlt sich jedoch schon bald wie ein Tier im „Schwanenhals“, der tödlichen Jagdfalle, aus der man sich nicht befreien kann. Als die Stasi sie verpflichtet, ihre Kommilitonen zu bespitzeln, tritt sie aus der Partei aus und wird exmatrikuliert. Ende 1957 flieht sie mit ihrem isländischen Freund nach Island, schreibt, arbeitet in Fischfabriken und kehrt erst 1965 nach Leipzig zurück. Am Johannes R. Becher-Institut versucht sie einen Neuanfang, doch eine wie sie ist unerwünscht. Lange vor Wolf Biermann wird Helga M. Novak aus der DDR ausgewiesen. Staatenlos führt sie ein unstetes Leben, das sie quer durch Europa führt.

Ihre Bücher wurden in der DDR nicht veröffentlicht; ihre Gedichte findet man dort nur als Abschrift in den Akten der Staatssicherheit.

Helga M. Novak: Die Eisheiligen. Vogel federlos. 2 Bde. Schöffling 2013. 296 + 309 S.
         Kart. in Schuber.                                                                          16,95 €

Wie kaum ein zweites Werk schildern „Die Eisheiligen“ und „Vogel federlos“ eine Kindheit und Jugend in Deutschland während des Faschismus und in den frühen Jahren der DDR. Heute, mehr als zwanzig Jahre nach dem Ende der DDR, lässt sich bei Helga M. Novak nachlesen, auf welche Weise dort etwas begann, was vierzig Jahre später zusammenbrach.

Helga M. Novak: solange noch Liebesbriefe eintreffen. 2 Bde. Gesammelte Gedichte.Hrsg. v. Rita Jorek. Mit einem Nachwort von Eva Demski. Schöffling 2008. 824 S. Ln 48,00 €  

Die zweibändigen Ausgabe vereint Helga M. Novaks gesamtes lyrisches Werk, vom ersten Gedichtband über die Bücher, die den Rang der großen Lyrikerin begründeten und über die Jahrzehnte bestätigten: Ballade von der reisenden Anna, Colloquium mit vier Häuten, Balladen vom kurzen Prozess, Margarete mit dem Schrank, Legende Transsib, Märkische Feenmorgana und Silvatica.

Helga M. Novak: solange noch Liebesbriefe eintreffen. 1 Audio-CD. 56 Min. Herausgegeben von Gert Heidenreich. Gesprochen von Doris Wolters. Schöffling 2010.                7.95 €  

Dieses Hörbuch bietet eine kleine Auswahl aus der 800 Seiten umfassenden Lyriksammlung „solange noch liebesbriefe eintreffen“.

Helga M. Novak: Liebesgedichte. Hrsg. u. Nachw. von Silke Scheuermann.
Schöffling 2010.                            158 S.                                       Ln 17,95 €

In diesem Band steckt alles, was die Lyrik Helga M. Novaks über Jahrzehnte ausgemacht hat und noch heute prägt: Witz, Direktheit, Archaik, Erotik und Natur. In Helga M. Novaks Liebesgedichten spielen sich entweder die großen Komödien ab, oder sie sind endlos tragisch, aber immer lauert irgendwo dahinter die utopische Möglichkeit, dass es eine Idylle gibt.

Helga M. Novak: wo ich jetzt bin. Gedichte. Herausgegeben von Michael Lentz. Schöffling 2005. 240 Seiten. Ln 19,95 €

Helga M. Novak: Silvatica. Gedichte. Schöffling 1997. 96 S. Geb. 16,90 €

Helga M. Novaks Gedichtband „Silvatica“ erzählt von ihrem Leben in ihrer Landschaft, vom Leben im polnischen Wald, vom Leben jenseits westlicher Sehnsüchte, von einer Form der Existenz, die, einsam und selbstgewählt, Freiheit bedeutet in einem ungeheuren Maße.

Entwurzelt, aber doch ganz bei sich, im Wald, in den Pilzen, im Leben mit und von den Tieren: „vom Wild reden und einem Wildtöter/von der Heide Birken und Kiefernkulturen/den Abbau ignorieren und den Verfall/ungnädig den Widersinn die Angst wegstecken“.

Helga M. Novaks Verse, scheinbar sachlich, oft eckig, fast schroff, sind reich an intensiven Bildern, voll Schönheit und Kraft, voller Leidenschaft, zart, bisweilen wehmütig, immer aber selbstbewusst und einzigartig.

Helga M. Novak: Aufenthalt in e
inem irren Haus. Gesammelte Prosa. Schöffling 1995.
 342 S.                                                       Geb.                           24,90 €

„Aufenthalt in einem irren Haus“ sammelt die Prosa von Helga M. Novak aus dreißig Jahren, von ihrem ersten Prosabuch „Geselliges Beisammensein“ bis zu unveröffentlichten Texten aus den letzten Jahren. Zum ersten Mal wird so das Erzählwerk einer eigenwilligen und zärtlich-schroffen Dichterin überschaubar, das Werk einer Erzählerin, der nichts ferner liegt als Anpassung, Zeitgeist oder Verbindlichkeit.

Helga M. Novaks Prosa ist direkt, rabiat und schonungslos, sie erzählt von der Arbeit in isländischen Fabriken, vom Leben und der Ausgrenzung in beiden Deutschland, von Landarbeitern in Portugal, von den Lebensumständen im heutigen Polen. Sie schreibt einen „Brief aus Kanton“ und von der „Reise einer Nihilistin nach Verona im späten Herbst“, sie portraitiert einfühlsam und anrührend das „Leben einer polnischen Greisin“. Helga M. Novak weiß, wovon sie erzählt: Da wo sie ist, lebt und arbeitet sie, erlebt und beschreibt – immer unverstellt, kritisch und genau.