Autorenlesung: Klaus Hoffer

Im Gegensatz zum Œuvre mancher Weggefährten aus der Zeit der Grazer Gruppe nimmt sich das Werk des Grazer Schriftstellers Klaus Hoffer, was den Umfang angeht, nahezu verschwindend aus. Weil sich ihm, wie er immer wieder behauptet, das Schreiben »hartnäckig verweigert«, existieren bislang nicht viel mehr Zeugnisse als der Roman Bei den Bieresch (Droschl 2007), die Erzählung Am Magnetberg (Droschl 1982), einige literaturtheoretische Arbeiten, Essays und in den »manuskripten« veröffentlichte Romanfragmente. Allerdings hat Klaus Hoffer mit dem Bieresch-Roman, dessen erster Teil Halbwegs 1979 herauskam und dem vier Jahre später der zweite Teil Der große Potlatsch nachfolgte, den Lesern einen Klassiker zu Lebzeiten beschert.

Klaus Hoffer, 1942 in Graz geboren, Studium der Germanistik, klassischen Philologie und Anglistik, Dissertation über Das Bild des Kindes im Werk Franz Kafkas. Neben seiner Lehr- und journalistischen Tätigkeit schrieb er experimentelle, sprachkritische Literatur mit Nähe zu Oswald Wiener und der Wiener Gruppe. Außerdem übersetzte er englischsprachige Texte ins Deutsche, etwa mehrere Erzählbande von Lydia Davis (Droschl 2008, 2009, 2011, 2014, 2017). Hoffer wurde der Rauriser Literaturpreis (1980), der Alfred-Döblin-Preis (1981) und der manuskripte-Preis (1992) verliehen.

Urs Widmer hielt 1993 in der manuskripte-Preisrede für seinen Kollegen anerkennend fest, Hoffer habe mit den Bieresch eines der Bücher geschrieben, „die später einmal aus dem Staub des Jahrhunderts herausragen werden“. Sein Schreiben trifft auch den Nerv der Literaturkritik, die die Erzählung über die wuchernde Geisteswelt einer in der Provinz abgeschieden lebenden »abstrusen Ethnie« – eben der Bieresch – ausnahmslos mit Begeisterung aufnahm. Hanns Josef Ortheil etwa zählt den außergewöhnlichen, weil geistreichen und zugleich skurrilen Roman neben Wolfgang Hildesheimers Marbot und Gerold Späths Commedia zu den „drei Meisterwerken postmoderner Haltung“ innerhalb der deutschsprachigen Literatur.

Klaus Hoffer: Bei den Bieresch. Roman. Droschl 2007. 272 S. Geb. 21,00 €

Bei den Bieresch spielt »in einem rätselhaft-unheimlichen Niemandsland« (Wolfgang Hildesheimer), dem Seewinkel, also dem Ostufer des Neusiedler Sees. Der Erzähler Hans gerät, einem Ethnologen gleich, in eine fremdartige und doch vertraute Volksgruppe, eben die der Bieresch, wo er, einem archaischen Brauch zufolge, ein Jahr lang die Rolle seines soeben verstorbenen nächsten Verwandten zu spielen hat. Diese Welt, die er allmählich zu enträtseln versucht, ist ein labyrinthischer Alptraum aus wechselseitigen Deutungen und Interpretationen, aus Fremdbeobachtungen und Ritualen, aus Kafka und Kabbala, aus Erzählungen, Anekdoten und Mutmaßungen, der ihn immer fester und unausweichlicher umfängt.

Klaus Hoffer erhielt 1979 und 1980 sowohl den Rauriser Literaturpreis als auch den Alfred Döblin-Preis für diesen Roman – von dem gerade der erste Teil erschienen war –, und das Werk wurde von der Kritik und der Kollegenschaft als Ereignis gefeiert. Drei Jahre später erschien der zweite Teil. „Ich glaube, es gehört zum Interessantesten überhaupt, was man heute so lesen kann“, schrieb Friederike Mayröcker. Bei den Bieresch blieb ein Geheimtipp – viel zu unvergleichlich war das, was dieser Autor fernab aller Erwartungen und Konventionen dem Leser vorlegte.

„Wir leben nicht, wir erklären das Leben“, sagt einer der Bieresch einmal, den Reichtum und den Fluch dieser Existenzweise benennend. Wie nur wenige große Bücher ist Bei den Bieresch nicht nur die Beschreibung einer bestimmten condition humaine, sondern ihre Verkörperung, gleichermaßen in seiner Struktur, in seinen Sätzen und Bildern – ein außergewöhnliches, fremdartiges Kunstwerk von Rang!

"Ein Literatur-Monument." (Katrin Hillgruber, Frankfurter Rundschau)

"Wer Borges mag, wird auch Hoffers Roman lieben. Es ist ungeachtet des klassisch schlichten Erzählstils ein hochkomplexes Sprachkunstwerk, das fest in die Tradition der literarischen Verfinsterung gehört." (Wolfgang Schneider, Deutschlandradio)

"Hoffers Buch öffnet sich einer ganzen Reihe von Lesarten. Es ist unterhaltsam, witzig und aktuell. Und es enthält fürs Zeitalter der Globalisierung eine Privatethik in nuce." (Jochen Schimmang, taz)

Bei den Bieresch ist vieles: "postmoderner Roman, ethnologischer Entwicklungsroman, moderne Variante der Mythopoesie und vielschichtige Zivilisationskritik, vor allem aber ein bestechendes Buch, das verdient, neu gelesen, neu entdeckt zu werden". (Uwe Schütte, Volltext)

"Borges, Kafka, Hubert Fichte zählen zu den geistigen Weggefährten Hoffers bei dieser Exkursion durch eine fremde, vertraute Welt. Große Literatur." (Werner Krause, Kleine Zeitung)

"Klaus Hoffer schreibt wie Buster Keaton. Ein äußerst großartiges Buch!" (Urs Widmer)

"Das Sein, die Welt, das Fremde, das Eigene, die Sprache, den Urtext. (…) unglaublich dicht erzählte Passagen und Landschaftsbeschreibungen von mythischer Qualität." (Madeleine Napetschnig, Die Presse)

"Ich möchte den Vorschlag machen, (…) Romane von Peter Handke oder Christoph Ransmayr, von Elfriede Jelinek oder Urs Widmer einmal unter der Perspektive der Hoffer-Nachfolge zu betrachten." (Hermann Wallmann, WDR)

weitere Bücher von Klaus Hoffer:

Klaus Hoffer: Am Magnetberg. Ein Fragment. Droschl 1982. 64 S. Mit einem Nachwort von Urs Widmer. Kart. 9,50 €

Klaus Hoffer: Die Nähe des Fremden. Essays. Droschl 2008. 240 S. mit 41 farb. Abb. Geb. 24 €

Klaus Hoffer: Methoden der Verwirrung. Poetikvorlesung. Droschl 1986. 152 S. Kart. 11,50 €

Klaus Hoffer:  Pusztavolk. Droschl 1992. 32 S. Kart. 4,50 €



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