Mittwoch, 12.02.2020, 20 Uhr

Tragische Reinigung der Leidenschaften: Aristoteles' Tragödientheorie zwischen G. E. Lessing und Wolfgang Schadewaldt - Vortrag von Felix Maiwald

Der Eintritt ist frei.

Wenn wir ein Theaterstück schauen, werden wir von unseren Leidenschaften bewegt. Ist es komisch, müssen wir lachen und ergeben uns seiner Heiterkeit, ist es dagegen tragisch, bedrängt es uns mit Jammer und Sorge. Verlassen wir anschließend das Theater, fühlen wir uns mitunter erleichtert, vielleicht befreit und diese ‚Reinigung‘ verschafft uns eine ganz eigene Art der Freude.

Dieser Gedanke ist schlicht und zumeist aus eigener Erfahrung vertraut. Allerdings war es der antike Philosoph Aristoteles, der ihn zu einem zentralen Moment der Erklärung dramatischer Dichtung erhob.

Seine ‚Poetik‘ bietet den ersten erhaltenen Versuch einer umfassenden Systematisierung der zeitgenössischen Dichtung unter Berücksichtigung ihrer Geschichte und wesentlichen Merkmale. Dabei liefert sie zugleich Kriterien für die Beurteilung eines guten Schauspieles. Dergestalt ist die ‚Poetik‘ eine unersetzliche Quelle für das Verständnis des Griechischen Theaters. Allerdings ist sie nicht vollständig erhalten – der Verlust des zweiten Buches über die Komödie lieferte Umberto Eco sogar geheimnisvollen Stoff für seinen berühmten Roman ‚Der Name der Rose‘ – weshalb ihre Interpretation großen Schwierigkeiten unterworfen ist.

Dass etwa die vielbeschworene ‚Tragische Reinigung der Leidenschaften‘ in neuerer Zeit in die zahlreiche Klasse ästhetischer Prachtausdrücke übergegangen sei, die jedem Gelehrten geläufig und keinem Denkenden deutlich seien, beklagte der Altphilologe Jacob Bernays bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Daher wird es Aufgabe des Vortrages sein, in das Werk und den kulturellen Kontext seiner Entstehung einzuführen, um anschließend die aristotelische Tragödiendefinition vorzustellen und sie in ihrem Gehalt zu befragen. Auf diese Weise wird sichtbar werden, an welchen Stellen seine Darstellung der Theorie zu freien Auslegungen einlädt und Missverständnisse begünstigt. Ein Ausblick auf ihre Interpretation durch Gotthold Ephraim Lessing und deren Kritik durch Wolfgang Schadewaldt wird dabei das Ausmaß des Trauerspieles ihrer Rezeption vor Augen führen.

Felix Maiwald (B. A.), Jahrgang 1991, absolviert ein Masterstudium der Philosophie und ein Bachelorstudium der Griechischen Philologie in Bonn. Nach der überwiegenden Auseinandersetzung mit Traditionen der Erkenntnis- und Seinslehre der abendländischen Philosophie, markiert die Hinwendung zur Philosophie der Antike einen thematischen Wendepunkt. Waren es während des Bachelorstudiums noch die Deutschen ‚Klassiker‘ (v.a. Kant, Hegel, Heidegger, Nietzsche), sind es heute vornehmlich die Griechischen ‚Klassiker‘, denen er sein Studium widmet (Platon, Aristoteles, Vorsokratik). Außerhalb der Philosophie sind dabei besonders Epos und Drama von Interesse.




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